Schule neu gedacht
Schule neu gedacht
„Alles ist schwer, bevor es leicht wird“, so heißt das Buch von Caroline von St. Ange. Ich habe von ihr das erste Mal in einem Podcast gehört und war sofort verliebt in ihre Vorstellung davon, wie Kinder am besten und leichtesten lernen können und sollten. Leider ist es in den meisten Schulen ganz anders. Dort herrschen zum Teil immer noch alte Vorstellungen davon, wie Lernen auszusehen hat. Und obwohl immer mehr Kinder Probleme damit haben, nicht gerne zur Schule gehen oder schlimmstenfalls sogar krank werden, scheint es schwer zu sein, an diesem großen, schweren und behäbigen Apparat Schule etwas zu verändern.
Es geht auch anders
Unser Sohn geht auf eine freie Schule. Aus unserer Sicht die beste Entscheidung, die wir für ihn und uns treffen konnten. Es gibt keinen starren Lehrplan. Keine Klassenräume, in denen die Kinder 45 Minuten stillsitzen und zuhören sollen. Stattdessen Gruppenräume, in denen die Kinder mit Unterstützung der Pädagogen selbstständig an ihren Aufgaben und Themen arbeiten und forschen. Die Ergebnisse präsentieren sie anschließend vor der Gruppe. Es gibt keine Klasseneinteilung von 1-10, sondern mehrere Lerngruppen, in denen die Kinder altersübergreifend miteinander und voneinander lernen. Besonders auch das soziale Miteinander! Noten gibt es erst ab Klasse 9. In der Zeit davor schreiben die Pädagogen seitenlange „Lernentwicklungsberichte“ über die Stärken und Lernfortschritte der Kinder. Und auch darüber, wo sie sich noch weiterentwickeln könnten. Das, was sie besonders gut gemacht haben oder können, steht immer an erster Stelle in den Berichten. Ich war schon oft zu Tränen gerührt, wenn ich gelesen habe, wie sehr mein Kind dort gesehen wird.
In dem Buch „Der tanzende Direktor: Lernen in der besten Schule der Welt“ von Verena Frederike Hasel schreibt die Autorin über die Schulen in Neuseeland. Sie hat dort einige Zeit mit ihrer Familie gelebt und ihre Kinder sind dort zur Schule gegangen. Die Autorin war so begeistert von dem Schulsystem dort, dass sie durch das Land gereist ist und mehrere Schulen besucht hat. Daraus ist dieses Buch entstanden, das zeigt, wie Lernen mit gegenseitigem Respekt und Wertschätzung gelingen kann. Einer der Leitsätze: Fehler sind wichtig. Nur aus Fehlern kann man lernen. Mein Herz ist beim Lesen des Buches fast übergeflossen vor Freude. Ich kann es sehr empfehlen. Und es macht Hoffnung. Denn Neuseeland hat es geschafft, das gesamte Schulsystem innerhalb weniger Jahre komplett umzustellen und zu reformieren.
Ein überfordertes System
Ich habe in meinem Freundes- und Bekanntenkreis einige Lehrer/innen. Sie sind ambitioniert, wollen etwas verändern, die Kinder unterstützen, haben großartige Ideen und geben so viel Engagement und Herzblut in ihre Arbeit. Nur leider werden sie von dem „System Schule“ immer wieder ausgebremst. Statt ihren Kernkompetenzen zu folgen, stehen sie vor viel zu großen Klassen, haben kaum Spielraum, die starren Vorgaben der Lernpläne zu verlassen und verbringen viel zu viel Zeit mit Konferenzen und administrativen Dingen. Hilfe und Unterstützung bekommen sie wenig oder gar nicht.
Muss sich in unseren Köpfen etwas ändern?
Ich erinnere mich, vor einigen Jahren Flyer für den Infoabend an unserer Schule verteilt zu haben. Einige hatte ich in dem Hofladen ausgelegt, in dem ich immer einkaufe. Als ich an der Kasse stand, hörte ich, wie eine Frau die Inhaberin fragte, warum sie denn Flyer von dieser Schule ausliegen hätte. „Dort gehen doch nur die Idioten hin, da lernen die doch nichts“, waren ihre Worte. Auf meine Frage, woher sie das denn wisse, sagte sie, das habe sie gehört und das wäre doch klar. Ich fand das sehr spannend. Und erschreckend, wie sehr manche Eltern selbst geprägt sind von ihren eigenen Schulerfahrungen und den Anforderungen, die schon an sie selbst gestellt wurden. Es gibt eine feste Vorstellung davon, wie das mit der Schule so zu gehen hat. Und dass es um Leistung, Noten und die Zukunft geht. Wer nicht mithalten kann, hat ein Problem. Damals habe ich gedacht, dass sich vielleicht auch in den Köpfen der Eltern und insgesamt in der Gesellschaft erst etwas ändern muss, damit die Schule sich verändert. Und mein Eindruck ist, dass immer mehr Eltern sich das wünschen und nach Alternativen suchen.
Für das Leben lernen?
Kennst Du den Spruch „Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“? Eine schöne Idee. Die Realität mit ihren Lehrplänen sieht für mich anders aus. Das Wenigste von dem, was ich in meiner Schulzeit (an meinen Interessen vorbei) lernen musste, ist mir im Kopf geblieben. Es hatte auch nichts mit meinem späteren Alltag oder BerufsLeben zu tun. Und da das Gelernte nach der Klassenarbeit nie wieder abgerufen wurde, ist es auch einfach wieder aus meinem Gehirn verschwunden. Genauso wie die Zeit, die ich damit verschwendet habe, die Dinge auswendig zu lernen, die ich nie wieder gebraucht habe. Schade drum. Was hätte ich alles Sinnvolles lernen können in dieser Zeit.
Meine „Wunschschule“
Jedes Kind ist anders und einzigartig, kann manche Dinge gut und manche nicht so gut. Ich stelle mir eine Schule vor, in der Lesen und Schreiben gelehrt wird. Und die Grundrechenarten und Englisch. Das ist Pflicht für alle Kinder. Und dann kommen Wahlfächer dazu. Die Kinder entscheiden selbst nach ihren Interessen und Fähigkeiten, ob sie Biologie, Geschichte, Chemie, Physik etc. lernen wollen.
Kunst und Sport werden nicht bewertet. Ich frage mich sowieso, wie man ein Fach, dass mit den individuellen Talenten eines Menschen zusammenhängt, benoten kann. Ich hatte immer eine 4- in Sport. Ich konnte keine Ballspiele, kein Seil hochklettern, kein Weit-oder Hochsprung. Aber ich war jeden Nachmittag bei meinem Pony auf dem Hof und bin geritten. Später habe ich jahrelang im Fitnessstudio gearbeitet, Spinning-Kurse unterrichtet und bin schließlich Yogalehrerin geworden. Unsportlich? Ja, das habe ich als Kind jahrelang gedacht. Weil die Note 4 und die abschätzenden Worte meines Sportlehrers mir bis heute im Kopf geblieben sind. Der Sportunterricht war für mich ein Horror. Das hat wenig mit Empowerment und Wertschätzung zu tun gehabt.
Und wo wir gerade dabei sind : Ich würde ab der ersten Klasse die Fächer „Ernährung und Gesundheit“ und „Umweltschutz“ für alle einführen. Und ganz viel mit den Kindern raus in die Natur gehen. Fürs Leben lernen eben.
Wie würde eine gute Schule für dich aussehen? Was würdest du dir vielleicht für dein Kind wünschen?
Wenn dich das Buch oder überhaupt die Arbeit von Caroline von St. Ange interessiert, dann kannst du sie auf Instagram oder hier finden :
Learn Learning with Caroline | Growth Mindset
Herzliche Grüße, Susanne Brünjes